NNP vom 31.07.2014: “Ein außergewöhnlicher Chor”
Der Auftritt in Erbach war ein Genuss: Bei den geistlichen Chorsätzen im ersten Programmteil entwickelte der Männerchor eine außergewöhnliche Dynamik – schwungvoll mit gleichmäßiger Stimmenverteilung war der Satz „Cantate Domino“ (Hans Leo Hassler) und bei „Ubi Caritas“ von Ola Gjeilo zeigte der Chor seine Wandlungsfähigkeit, die immer auch vom Dirigenten abhängig ist; so verdient die musikalische Arbeit, die Karl Wilhelm Dünnes abliefert, großen Respekt. Selten hört man das „Wachet auf“ mit solcher Durchsichtigkeit, ein Chorsatz in neuem musikalischen Gewand des zeitgenössischen Kirchenmusikers Martin Folz; bei diesem geistlichen Brautlied führt der Weckruf mitten hinein in die biblische Szene, wo die törichten Jungfrauen und ihr Schicksal jedoch mit keinem Wort erwähnt werden. Bei der romantischen Chorliteratur, die selbstverständlich bei einem Auftritt in St. Petersburg nicht fehlen darf, steht Franz Schubert an erster Stelle. Bei den Sätzen „Die Nacht“ und „Abendfrieden“ bewies der Chor großes Einfühlungsvermögen und überzeugte durch kultivierte Klanglichkeit. Beim „I will praise thee o Lord“, einem bekannten Satz von Knut Nystedt, zeigten die Männerstimmen eine imposanten Stimmentfaltung – sensibel und zurückgenommen war der Satz „Kein schöner Land“ von Siegfried Strohbach mit dem Solisten Hans Albert Demer.
Russischer Kirchengesang
Etwas von der russischen Musik und der russischen Seele erahnen ließ der Kirchengesang „Tebje pojem – O Herr, gib Frieden“ (Dimitri Bortnianski), ein schlichter aber dennoch ausdrucksstarker Satz von Johann Walter Scharf, klangsensibel mit guter Artikulation dargeboten.
So starten die Sänger aus Erbach bald zu einer weiteren Auslandsreise, die unter den gesanglichen Voraussetzungen erfolgreich sein wird – auch hier gilt es besonders, den Nachwuchs im Auge zu behalten, denn ein Männerchor der Tradition und Moderne verbinden will, braucht neben jungen Stimmen auch neue Ideen und neue Ziele.